Bin ich überfordert – oder einfach müde? Mein ehrlicher Selbsttest

Bin ich überfordert – oder einfach müde? Mein ehrlicher Selbsttest

Ich hab lang gedacht, dass ich einfach schlecht organisiert bin. Dass ich mir zu viel aufhalse, zu wenig plane, ständig Dinge vergesse oder verschiebe, weil ich nicht richtig strukturiert bin. Ich hab mir To-do-Listen gemacht, Apps installiert, mir sogar mal ein Bullet Journal gebastelt, das nach zwei Wochen in der Küchenschublade gelandet ist. Und trotzdem hab ich abends da gesessen, mit diesem Gefühl von: Nichts geschafft. Alles zu viel. Kopf leer, Körper schwer, Herz irgendwie auch nicht mehr so richtig dabei. Ich hab mich gefragt, ob ich überfordert bin oder einfach nur zu faul. Oder ungeduldig. Oder zu sensibel. Oder alles zusammen. Und irgendwann kam der Moment, wo ich mir eingestanden hab: Ich bin nicht faul. Ich bin nicht undiszipliniert. Ich bin einfach müde. Müde auf eine Art, die nicht mit einem Nachmittagsschlaf weggeht. Sondern müde in den Knochen, in den Gedanken, in meinem ganzen Wesen. Und ich glaub, das ist nicht nur bei mir so.

Diese Müdigkeit ist anders. Nicht wie nach einer kurzen Nacht oder einem stressigen Tag. Sie fühlt sich an wie eine leise, zähe Wolke, die sich über alles legt. Ich stehe morgens auf und fühle mich schon erschöpft, obwohl noch gar nichts passiert ist. Ich mache Frühstück, such Socken, fülle Brotdosen, räum die Spülmaschine aus – alles wie immer – und trotzdem denke ich: Ich will mich einfach nur wieder hinlegen. Und das, obwohl ich eigentlich acht Stunden geschlafen hab. Oder zumindest im Bett lag. Schlafen und ausgeruht sein ist eben nicht dasselbe.

Ich merke, dass ich mich nicht mehr freuen kann auf Dinge, die ich früher geliebt hab. Kuchen backen, Blumen umtopfen, die Küche aufräumen mit Musik – alles, was mal kleine Highlights im Alltag waren, sind jetzt einfach nur noch Punkte auf einer Liste, die abgearbeitet werden müssen. Ich war mal jemand, der gerne Dinge gemacht hat. Jetzt fühl ich mich wie jemand, der sich von Stunde zu Stunde schleppt. Nicht weil ich will, sondern weil ich nicht anders kann.

Und dann kommen die Gedanken. Die leisen, fiesen. „Du hast es doch gut.“ „Was beschwerst du dich?“ „Andere haben viel mehr Probleme.“ Und ja – das stimmt vielleicht. Aber es ändert nichts daran, dass ich mich erschöpft fühle. Und diese Gedanken machen’s nur schlimmer. Weil sie das Gefühl geben, man darf nicht müde sein. Nicht überfordert. Man muss funktionieren, lächeln, stark sein. Für die Kinder, den Mann, die Familie, die Arbeit. Ich glaub, das ist das härteste: dass man sich selbst nicht erlaubt, müde zu sein.

Ich hab irgendwann angefangen, mir selbst Fragen zu stellen. Nicht laut, nicht schriftlich – einfach so im Kopf. So eine Art Selbsttest. Bin ich überfordert – oder einfach müde? Oder beides? Und die Antworten waren manchmal sehr deutlich, manchmal verwirrend. Ich hab gemerkt, dass ich keine Energie mehr hab für soziale Sachen. Dass ich Einladungen ablehne, Telefonate verschiebe, selbst Nachrichten zu beantworten fällt mir schwer. Nicht, weil ich die Menschen nicht mag – sondern weil es mich überfordert. Zu reden, zu reagieren, mich zu erklären – es zieht mir Kraft ab. Ich brauche diese Kraft aber für mich. Für meine Kinder. Für den ganz normalen Wahnsinn zu Hause. Und oft reicht sie nicht mal dafür.

Dann gibt’s die Momente, wo ich bei der kleinsten Sache die Nerven verliere. Die Kinder streiten – und ich schreie. Nicht aus Wut, sondern aus Erschöpfung. Ich kann den Lärm nicht mehr filtern, nicht mehr ausblenden. Mein Nervensystem ist einfach voll. Und dann hab ich Schuldgefühle. Weil ich keine geduldige Mutter war. Weil ich Dinge sage, die ich nicht meine. Weil ich weine im Bad, während die Kinder vor der Tür stehen und klopfen. Ich fühl mich wie eine schlechte Version von mir selbst.

Manchmal frage ich mich, wie es so weit kommen konnte. Ich war mal voller Energie. Ich konnte fünf Sachen gleichzeitig machen, hab alles organisiert, nebenbei gelacht, telefoniert, gekocht. Heute bin ich froh, wenn ich die Waschmaschine anstelle, ohne zu vergessen, das Waschmittel reinzutun. Ich denke, das ist einfach dieser Zustand, wenn zu viel über zu lange Zeit zusammenkommt. Kein einziger großer Knall – sondern tausend kleine Tropfen, die über Jahre in das Fass fallen, bis es einfach still überläuft.

Und dann ist da diese ständige Selbstoptimierung da draußen. Man soll meditieren, sich gesund ernähren, Sport machen, atmen, dankbar sein, Journaling, Detox, Yoga, achtsam sein. Und das alles am besten noch vor dem Frühstück. Ich kann’s nicht mehr hören. Ich weiß, dass diese Sachen helfen können – aber nicht, wenn man schon auf dem Zahnfleisch kriecht. Nicht, wenn man kaum die Kraft hat, sich die Haare zu föhnen. Ich brauch keine Liste mit Tipps – ich brauch Ruhe. Verständnis. Zeit.

Ich hab angefangen, radikal ehrlich zu sein mit mir selbst. Wenn ich zu müde bin, um zu kochen, gibt’s Brotzeit. Wenn ich keine Lust auf WhatsApp hab, bleib ich offline. Wenn ich heulen muss, heul ich. Ich hör auf, mich selbst zu optimieren und fang an, mich ernst zu nehmen. Ich bin nicht schwach. Ich bin müde, weil ich stark war. Zu lange. Zu oft. Für zu viele.

Und ja, es gibt Tage, da geht’s besser. Da trink ich in Ruhe meinen Kaffee, räume eine Schublade auf und fühl mich wie Wonder Woman. Aber es sind noch nicht viele dieser Tage. Und das ist okay. Ich zwing mich nicht mehr. Ich erklär niemandem mehr, warum ich nicht komme, nicht antworte, nicht funktioniere. Ich darf müde sein. Ich darf überfordert sein. Und ich darf sagen: Ich brauch eine Pause. Auch wenn die Welt weiterdreht.

Ich weiß nicht, ob das irgendwann alles wieder leichter wird. Ich hoffe es. Ich glaub es. Aber bis dahin versuche ich, jeden Tag so zu nehmen, wie er ist. Mit kleinen Lichtblicken. Mit Ehrlichkeit. Mit weniger müssen und mehr dürfen. Und ich versuche, mir selbst die beste Freundin zu sein, die ich sonst für andere bin. Und manchmal reicht das. Zum Durchhalten. Zum Atmen. Zum Überleben.

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